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Röteln und Masern: Eliminiert oder nur vergessen?

Röteln und Masern: Eliminiert oder nur vergessen?
Zur Bedeutung der Labordiagnostik bei Verdachtsfällen

 

Eine Information der AG Infektionsschutz der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden


Masern und Röteln sind in Deutschland sehr selten geworden. Für Röteln hat die WHO den Status der Elimination im Jahr 2020 anerkannt. Es konnte gezeigt werden, dass eine endemische Transmission von Röteln über einen Zeitraum von 12 Monaten hierzulande nicht mehr stattfand. Das bedeutet aber nicht, dass in Deutschland keine Röteln-Infektionen mehr vorkommen. Wir werden weiter Fälle haben, die sicher erkannt und bewertet werden müssen.

Für Masern konnte bisher aus Sicht der Regionalen Verifizierungskommission der WHO noch nicht eindeutig belegt werden, dass in Deutschland eine endemische Transmission unterbrochen ist. Somit gilt hier aktuell weiterhin der Status einer endemischen Transmission (Stand 25.08.2021, RKI), auch wenn es wenig Hinweis auf ein derartiges Geschehen gibt.
Insbesondere bei sehr niedrigen Meldezahlen drängt sich die Frage auf, ob die Überwachung sensitiv genug ist, um alle Fälle zu identifizieren.

Rötelninfektionen verlaufen häufig ohne nennenswerte oder nur mit unspezifischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, was eine Nachverfolgung von Übertragungsketten deutlich erschwert.
Die WHO fordert zur Einschätzung der Qualität der Surveillance mindestens zwei Fälle/100.000 Einwohner, bei denen eine Masern- oder Rötelnerkrankung aufgrund der labormedizinischen Diagnostik trotz Vorliegens einer typischen Symptomatik ausgeschlossen werden konnte. Daher kommt der Labordiagnostik vor allem bei den folgenden klinischen Fragestellungen eine besondere Bedeutung zu.

Klinische Fragestellungen
Die weitergehende Diagnostik der Masern und der Röteln in spezialisierten Laboren wird aktuell hauptsächlich bei folgenden Situationen notwendig:
- akute exanthematöse Erkrankung, ggf. mit katarrhalischen Symptomen
- ganz besonders bei kürzlich eingereisten Migrantinnen oder Migranten aus Afghanistan und/oder aus Regionen mit niedrigen Impfquoten (z. B. Ukraine und andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion)
- Arbeitsmedizinische Untersuchungen zur Kontrolle des Masernstatus mit Nachweis von IgM und wenig spezifischen Symptomen, auch in Gemeinschaftseinrichtungen (nach 1970 Geborene)
Im Fall des Nukleinsäurenachweises ist eine möglichst komplette Kontaktpersonen-Nachverfolgung anzustreben.

Labordiagnostik
Die Diagnostik einer akuten Infektion mit dem Masern- oder dem Rötelnvirus erfolgt meistens durch Kombination der folgenden Methoden:
• Nachweis von Virusgenomen mittels RT-PCR aus Rachenabstrich, Zahntaschenflüssigkeit oder Urin, gewonnen innerhalb von fünf Tagen nach Symptom- bzw. Exanthembeginn. Abhängig von der Präanalytik (Entnahmetechnik und -zeitpunkt, Transportzeit/Lagerung) sowie der Infektionsphase sind falsch negative Ergebnisse möglich. Die PCR-Untersuchung soll durch spezialisierte Labore vorgenommen werden, da in der derzeitigen Präeliminationsphase nur noch wenige positive Proben anfallen und spezielle Expertise zum Ausschluss falschpositiver Ergebnisse erforderlich ist. Die Kontaktadressen finden sich am Ende dieses Informationsschreibens.
• Nachweis der Serokonversion und damit der Infektion

Masern:
a. bei Ungeimpften: Nachweis von IgM im Serum Masern-IgM-Antikörper sind bei ca. 30 % der Erkrankten erst drei Tage nach Exanthem- bzw. Symptombeginn nachweisbar.
b. bei Geimpften: Ein IgM-Nachweis kann häufig ausbleiben, möglich ist aber der Nachweis eines deutlichen Anstiegs der IgG-Antikörper in einer zweiten Serum-Probe (10 bis 14 Tage später).

Röteln:
Auf IgM-Antikörper sollte möglichst ab Tag 5 nach Beginn der Symptomatik untersucht werden, da zu diesem Zeitpunkt über 90 % der Fälle ein positives IgM zeigen. Die Nachweisbarkeit besteht bis sechs Wochen nach Symptombeginn. Bei IgM-Negativität, aber charakteristischer Symptomatik wird eine Wiederholung nach 14 Tagen empfohlen. Auch bei Geimpften kann der IgM-Nachweis mehrere Monate positiv sein.
Hinweis: Aufgrund der geringen Fallzahlen von Röteln in Deutschland ist die überwiegende Anzahl positiver IgM-Antikörper-Nachweise gegen Röteln falsch positiv; Gründe können persistierende IgM-Antikörper, eine polyklonale IgM-Stimulation, Rheumafaktoren oder eine Kreuzreaktion mit anderen Viren sein. Positive Befunde sollten daher durch das Nationale Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln (MMR) durch ergänzende serologische Untersuchungen bestätigt werden, ggf. inklusive PCR-Untersuchung und Genotypisierung.

Welche Diagnostik eignet sich wann?

Wenn bei Kindern, z. B. bei mildem Krankheitsverlauf und nur vagem Verdacht, auf eine Blutentnahme verzichtet werden soll, kommt dem Direktnachweis des Erregers mittels PCR aus Rachenabstrich, Oral fluid (bei V. a. Masern) oder Urinprobe eine besondere Bedeutung zu und sollte bevorzugt durchgeführt werden.
Ein weiterer Vorteil des Direktnachweises mittels PCR ist, dass bei positivem Befund eine Typisierung am Nationalen Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln angeschlossen werden kann. Dies ermöglicht bei Masern zudem eine Unterscheidung zwischen Impfvirus und Wildtyp, z. B. hilfreich nach Postexpositionsprophylaxe, und spielt bei der Elimination eine zentrale Rolle hinsichtlich des Nachweises von (endemischen) Infektketten.

Ein rein serologischer Nachweis (Serokonversions-Nachweis mittels IgM-Nachweis bzw. Serumpaar) erscheint insbesondere bei Exanthembeginn aufgrund der geringeren Sensitivität und der ggf. zeitlich verzögerten Bestätigung für eine zeitnahe Nachverfolgung der Infektketten allein nicht zielführend.
Empfohlenes Vorgehen

Wir empfehlen, bei allen exanthematischen Erkrankungen mit möglicher Differentialdiagnose Masern oder Röteln innerhalb von 5 Tagen nach Exanthem- bzw. Symptombeginn einen Rachenabstrich und/ oder Urin (bei Masern auch Oral Fluid) zu entnehmen und eine PCR durchführen zu lassen.
Bei positivem PCR-Testergebnis sollte eine anschließende Typisierung am Nationalen Referenzzentrum für MMR durchgeführt werden.
Bei negativem PCR-Nachweis ist ggf. eine serologische Diagnostik zum Ausschluss einer Infektion anzuschließen.
Zum Zweck der Ermittlungen, aber auch um den Prozess der Labordiagnostik über Referenzlabore schnell in die Wege leiten zu können, ist es wichtig, dass Masern- und Rötelnerkrankungen gemäß IfSG schon als Verdachtsfälle umgehend an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden.

 

Labordiagnostik von Masern oder Röteln:
Kontaktadressen für die Anforderung von Probenahmematerial und Probeneinsendung

Nationales Referenzzentrum für Masern, Mumps und Röteln (NRZ MMR) am Robert Koch-Institut (RKI):
Entnahmesets für Röteln und Masern können kostenfrei angefordert werden unter
RKI - MMR: Entnahmesets
Versandadresse für Proben mit Probenbegleitschein
Download Probenbegleitschein
Anschrift:
NRZ MMR Robert Koch-Institut Seestr. 10 13353 Berlin

In Bayern erfolgt der Probenversand an:
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) Dienststelle Oberschleißheim Abteilung: Virologie/ Serologie Veterinärstraße 2 85764 Oberschleißheim
Telefon: 09131 6808-5386 (Büro) E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Untersuchungsauftrag Virologie und Serologie: Abruf unter Downloads Gesundheit (bayern.de) oder per Hum-Auto für angeschlossene Einsender/ Gesundheitsämter

Für eine Masern-Genotypisierung bitte zusätzlich den Probenbegleitschein des RKI ausfüllen mit Vermerk Masern-PCR und -Genotypisierung

Über die mögliche Analysen informiert das Leistungsverzeichnis auf der LGL-Website


Korrespondenz zu diesem Informationsschreiben:
Dr. med. Martina Christine Enke, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Referat 54 - Infektionsschutz, Haidenauplatz 1, 81667 München, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.,
für die AG Infektionsschutz (AG-I) der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden