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Affenpocken - Erste Informationen des Gesundheitsamts

Affenpocken – Erste Informationen

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen

aus aktuellem Anlass möchten wir Sie über die Affenpocken (Orthopoxvirus simiae, Monkeypox – MPX) informieren, eine bisher außerhalb des afrikanischen Kontinents seltene Virusinfektion.

Im Mai 2022 wurden in verschiedenen Ländern außerhalb Afrikas einige nicht-reiseassoziierte Fälle registriert, unter anderem in England, Portugal, Spanien, Italien, Schweden, Kanada und den USA. Am 19.05.2022 ist ein erster Fall auch in Deutschland (München) festgestellt worden. Das Robert Koch-Institut (RKI) weist aus diesem Anlass darauf hin, dass bei einem verdächtigen klinischen Bild, insbesondere bei Reiserückkehrenden aus (West-) Afrika und bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), eine Affenpockeninfektion in Betracht zu ziehen ist. Personen aus diesen Gruppen sollten bei ungewöhnlichen Hautveränderungen unverzüglich einer medizinischen Versorgung zugeführt werden.

Auch bei anderen Personen mit unklaren pockenähnlichen Effloreszenzen sollten Affenpocken in die erweiterten differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden. Es besteht eine Arzt-Meldepflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG hinsichtlich des Verdachts einer Erkrankung, Erkrankung und Tod sowie eine Labor-Meldepflicht gemäß § 7 Abs. 2 IfSG, vgl. www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/20_22.pdf?__blob=publicationFile 

 Inkubationszeit, Diagnostik und Klinik:

Die Inkubationszeit für Affenpocken beträgt zwischen 5 (lt. European Center for Disease Control, ECDC) bzw. 7 (lt. RKI) und 21 Tagen. Die Infektion äußert sich v. a. durch grippeähnliche Symptome (Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen,

Lymphknotenschwellung, Pharyngitis) sowie durch Hauteffloreszenzen.

Dabei werden die Stadien Macula, Papula, Vesicula und Pustula typischerweise simultan durchlaufen, verkrusten letztlich und fallen ab.

Der Virusnachweis erfolgt aus Exsudat, Bläschenflüssigkeit, Pustelinhalt, Krusten und anderem klinischen Material während der akuten Krankheits-phase mittels PCR (Differenzierung auf Speziesebene).

Die Infektion ist oft selbstlimitierend und heilt innerhalb von 14 bis 21 Tagen spontan aus. Die Krankheit verläuft i. d. R. milder als die echten Pocken (Variola). Folgen einer überstandenen Infektion können Narbenbildung und selten auch Erblindung sein. Vor allem bei sehr jungen und/oder immungeschwächten Patienten sind insbesondere in Endemiegebieten aber auch schwere Verläufe und Todesfälle möglich. Weltweit liegt die Letalität laut WHO für die westafrikanische MPX-Variante bei 1 %, für die zentralafrikanische MPX-Variante bei bis zu 10 %.

 Übertragung:

  •  Reservoirtiere in afrikanischen Endemiegebieten sind nicht Affen, sondern vermutlich Nagetiere. Infektionen können durch Kontakt mit Hautveränderungen oder Sekreten infizierter Tiere übertragen werden.  
  • Mensch-zu-Mensch-Übertragungen erfolgen durch große Atemwegströpfchen, Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Krusten bzw. Schorf oder kontaminierte Gegenstände (z. B. Bettwäsche, Kleidung). Auch eine Übertragung von Pockenviren bei Sexualkontakten ist möglich. Die längste bisher dokumentierte Infektionskette umfasste sechs Personen.
  • Die Viren sind äußerst stabil in der Umwelt.
  • Weite Teile der Weltbevölkerung haben mittlerweile keinen durch die früheren Pockenschutzimpfungen vermittelten Impfschutz mehr. Die echten Pocken gelten seit 1980 als ausgerottet.

Therapie:

 

Die Therapie ist in erster Linie symptomatisch, wichtig ist das Verhindern bakterieller Superinfektionen. Als Therapieoption vor allem für immun-geschwächte Patientinnen und Patienten, ist seit Januar 2022 auch in der Europäischen Union das Medikament Tecovirimat zugelassen, bisher aber nicht breit verfüg-bar.

 

Prävention: Hygiene, Impfung, Containment:

 

  • Vermeiden von engen Kontakten zu und Verzehr von potenziell infizierten Tieren.
  • Hygienemaßnahmen beim Umgang mit Erkrankten (Schutzmaßnahmen gegen Kontakt- und Tröpfcheninfektionen). Aufgrund der Ähnlichkeit der Viren schützen Impfstoffe, die zum Schutz vor den echten Pocken (Variola) entwickelt wurden, auch vor Affenpocken. In der EU ist ein Pocken-Impfstoff zugelassen, der modifiziertes Vacciniavirus Ankara (MVA) beinhaltet. In den USA und Kanada erstreckt sich die Zulassung dieses Impfstoffs auch auf die Impfung gegen Affenpocken.

Vorgehen beim Auftreten eines Falls von Affenpocken:

Beim Auftreten eines Falls von Affenpocken werden derzeit die folgenden Maßnahmen empfohlen:

  • Unverzügliche Rückverfolgung der engen Kontaktpersonen eines bestätigten Affenpockenfalls. Als enge Kontaktpersonen sind Personen einzustufen, die unter Berücksichtigung der o. g. Übertragungswege durch Kontakt mit einer infizierten Person ein erhöhtes Infektionsrisiko hatten. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits zwei Tage vor Beginn der Prodromi.
  • Die Kontaktpersonen sollten über die möglichen Symptome einer Affenpockenerkrankung aufgeklärt Bei engen Kontaktpersonen kann im Einzelfall eine Quarantäne angeordnet werden. Mindestens ist eine Beobachtung durch das Gesundheitsamt mit täglicher Abfrage möglicher Symptome erforderlich.
  • In jedem Fall sollten die betroffenen Personen angehalten werden, Kontakte zu reduziert (insbesondere Vermeidung enger Körperkontakte) und Hygieneregeln zur Verhinderung von Kontaktinfektionen sorgfältig zu beachten. Dies umfasst auch die Empfehlung zum Tragen einer FFP2-Maske bei Kontakt mit anderen Personen. Über 21 Tage, beginnend ab dem letzten Kontakt, sollte die Körpertemperatur täglich selbst kontrolliert und auf andere typische Symptome geachtet werden. Treten während dieses Zeitraums Symptome auf, sollten sich die Kontaktpersonen zu Hause isolieren und die zuständige Gesundheitsbehörde informieren.
  • Für Verdachtspersonen wird durch das Gesundheitsamt eine Isolation angeordnet, bis das Untersuchungsergebnis
  • Für infizierte Personen wird durch das Gesundheitsamt eine Isolation angeordnet. Diese endet frühestens nach 14 Tagen ab Symptombeginn. Voraussetzung ist, dass zu diesem Zeitpunkt keine Symptome, die auf eine Ansteckungsfähigkeit hinweisen, mehr bestehen.
  • Das Gesundheitsamt entscheidet gemeinsam mit den behandelnden Ärzten und stets unter Einbeziehung der Taskforce Infektiologie des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Einzelfall, ob eine Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich ist.
  • Medizinisches Personal, das einen Verdachtsfall oder einen im Labor bestätigten Fall behandelt, sollte bei allen Interaktionen, die einen Kontakt mit dem Patienten oder potenziell kontaminierten Bereichen in der Umgebung des Patienten mit sich bringen, die üblichen Schutzmaßnahmen gegen Kontakt- und Tröpfcheninfektionen einhalten (Tragen eines Einwegkittels und von Einmalhandschuhen, FFP3-Maske oder entsprechender N-95-Atemschutzmaske mit Partikelfilter, Schutzbrille).
  • Derzeit wird durch RKI und LGL geprüft, ob eine Postexpositionsprophylaxe mittels Impfung eine präventive zielgruppenspezifische Impfung empfohlen werden kann.

Das individuelle Risiko einer Infektion nach Kontakt mit an Affenpocken erkrankten Patienten hängt von der Art und Dauer des Kontakts ab. Haushaltskontakte, Sexualpartner und andere enge Kontaktpersonen sowie (medizinisches) Personal, das keine adäquaten Schutzmaßnahmen (s. o.) ergriffen hat, haben – nach derzeitigem Wissensstand – ein hohes Ansteckungsrisiko, insbesondere, wenn Kontakt zu Hautveränderungen oder ein enger Face-to-face-Kontakt bestand.


Für weitergehende Informationen verweisen wir auf die Website des RKI unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Affenpocken-Ueberblick.html . Für den Montag, 23.05.2022, werden aktualisierte Empfehlungen des ECDC erwartet. Auch das RKI arbeitet an aktualisierten Empfehlungen. Wir werden Sie zeitnah über Änderungen informieren.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen
Ihr
Dr. Stefan Günther MPH
Medizinaldirektor
Leiter des Gesundheitsamts Weilheim-Schongau